Nighthawk

“ …
Aber bleiben wir noch einen Moment bei Hopper und seinen „Nighthawks“. Während bei Hopper die Farbe die einzelnen Bildelemente verbindet, ist es das Licht, welches die inneren und äußeren Räume gliedert und voneinander trennt. Dabei scheint alles Licht von dem Innenraum des Diners auszugehen und sich dann zunehmend in der Nacht zu verlieren. Der Einfluss der Impressionisten auf Hoppers Werk ist hier aus meiner Sicht deutlich zu erkennen.

Letztlich ist Hoppers Bild aber eben keine „Lichtstudie“, nicht einmal eine Studie über persönliche Beziehungen. Beides dient dazu eine Stimmung über einen gesellschaftlichen Zustand in der Zeit zu vermitteln. Hopper ist hier tatsächlich Chronist eines historischen Momentes, die Einsamkeit des Menschen in der Großstadt nur das vordergründige Thema. Für mich drückt das Bild vor allem die Ratlosigkeit am Ende einer Epoche aus. Da sind die letzten Gäste zurück geblieben, die gerade erst realisieren, dass das Fest vorüber ist. Schon bald wird das strahlende Licht der Neonröhren durch staatliche verordnete Verdunklungsmaßnahmen abgelöst – Amerika befindet sich seit wenigen Tagen in dem Krieg, der bereits seit zwei Jahren die Welt verwüstet. Wenn eine fundamentale Krise lange genug existiert und einen selbst kaum betrifft, ist die plötzliche Präsenz der Bedrohung umso überraschender und verstörender.

Nun habe ich mir aus meinem persönlichen Bezug heraus also einige Vergleichspunkte gewählt, um mich deinem Bild zu nähern Brigitta: Sujet, Farbe, Licht, menschliche Beziehungen und gesellschaftliche Zusammenhänge.

Aus Hoppers Diner ist bei Dir eine Bar geworden. Keine von jenen Bars, in denen sich am frühen Morgen die letzten Gäste aus Suff und lauter Langeweile einer Schlägerei hin geben. Eine von jenen trendigen Bars für die gerne das Wort „Lounge“ verwendet wird und die Namen wie „Rick’s“ oder „Bar jeder Vernunft“ tragen. Sauber, ja geradezu freundlich und durchaus typisch für unsere Zeit, in der selbst eine Bar eine rauchfreie Zone ist. Vorbei die Zeiten billiger Drinks in billigem Ambiente – hier wird edel getrunken und gehobener Lifestyle gepflegt.

Auch Dein Bild wird zunächst durch das Licht gegliedert. Warm, in Orangetönen, von links nach rechts nur unmerklich von Dur nach Moll wechselnd – innerhalb. Fast Schwarz, mit einem Hauch der Erinnerung an das Orange – außerhalb. Die Lampenreihe setzt Akzente, nur um sich an der Decke in der Reflexion zu verlieren. Und natürlich das Licht der Punktstrahler im Hintergrund, die „hier, hier“ rufen. Es sind diese Lichtelemente, die das Bild zunächst grundlegend gliedern, noch bevor die starke Rhythmik der Objekte im linken Panel einsetzt. Und auch hier werden die Objekte von dem Licht durchdrungen, erhalten von ihm eine zusätzliche Dynamik. Im rechten Panel verliert sich diese Dynamik und weicht mit dem kühleren Licht kühleren Erdfarben.

Dort finden wir unsere Nachtschwärmerin. Alleine, nicht einmal mehr in einer mehr oder weniger zufällig zusammen gefundenen Gruppe. Selbst der Barkeeper, die ordnende Instanz und der letzte mögliche Gesprächspartner, ist in dem Bild abwesend. Den Versprechungen einer sehr geschickt in Szene gesetzten Konsumwerbung bereits abgewandt. In ihrer unentschlossenen Ratlosigkeit gefangen, denn auch hier ist wie in Hoppers Bild kein Ausgang erkennbar.

Die Flaschen voller Alkohol locken im warmen Licht mit dionysischen Verheißungen und doch lässt sich das Gefühl, Zeuge einer erneuten Zeitenwende zu sein, nicht mehr verdrängen. Wenn Europa zerbricht, wird es auch hier vorbei sein mit dem hippen Leben, den edlen Bars und dem gehobenen Lifestyle.“

Bildbesprechung von Bernd Donabauer  auf „The Good Eye“

 

2 thoughts on “Nighthawk

  1. Usch Quednau says:

    Hallo Brigitte,
    das sind schöne Fotos.
    Es gefällt mir nicht alles, doch gerade die Architektonischen sind sehr stark.
    Herzliche Grüße Usch Quednau

    Antworten
  2. brigitta says:

    Hallo Usch,
    schön dass Du hier vorbei geschaut hast!
    Meine Liebe zur Architektur – offensichtlich immer noch da und gut lesbar.
    Manche meiner Bilder, die ich persönlich besonders mag, sind für andere schwer zugänglich. Aber das kennst Du ja sicher selber zu genüge 😉
    Liebe Grüße Brigitta

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Scroll UpScroll Up